Mama, Papa! Wo seid ihr?
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Mama, Papa! Wo seid ihr?

Ihr fehlt mir.

Mein Zuhause fehlt mir.

Alles fehlt mir.

Ich will hier weg.

Und nie mehr wiederkommen.

 

Gestern hat er mir wehgetan.

Wie immer.

Warum habt ihr mir das angetan?

Was habe ich getan?

 

Liebt ihr mich denn nicht?

Mein Mann liebt mich.

Sagt er.

 

Immer wenn er ins Bett kommt.

Immer wenn er mich anfasst.

Wie kann ich ihn lieben?

Warum schlägt er mich?

Mama, Papa, es tut weh!

Warum hilft mir niemand?

Hört mich denn niemand?

 

Ich kann nicht mehr!

Ihr habt gesagt, ich muss.

Sonst wäre ich eine Schande.

Für die Familie und Gott.

Hat Gott das wirklich gewollt?

 

Ich muss es akzeptieren.

Ich will spielen.

Ich will lachen.

Ich will leben.

Ich will einfach alles vergessen.

 

Ich hoffe, es wird schnell vorbeigehen.

Warum darf ich nicht Kind sein?

Ich habe Angst.

In jeder Nacht.

An jedem Morgen.

In jeder Sekunde.

 

Er nimmt mir alles weg.

Mein Leben.

Meine Eltern.

Meine Freude.

 

Darf ich nicht ich sein?

Ich gehöre ihm.

Ich bin jetzt sein Eigentum.

Mama, Papa, ich bin traurig.

Warum tröstet ihr mich nicht?

Niemand tröstet mich.

Niemand denkt an mich.

Niemand hilft mir.

 

Mama, Papa! Wo seid ihr?

Ihr fehlt mir.

Ich liebe euch.

Auf ein Wiedersehen.

Auch wenn ich darauf nur hoffen kann.

 

Eure Abeba*

 

 

Abeba*, 14 Jahre alt, aus Ghana,

ist eines von 60 Millionen Mädchen,

die weltweit minderjährig

und

gegen ihren Willen verheiratet sind.

(Quelle: Unicef, 2011)

(*Fiktiv)

© Jannika Seidl, 11/2011
Kl. 9